Geld ausgeben, das man nicht hat –
die Staatsverschuldung in Deutschland

Rückblick auf die Vortragsveranstaltung mit Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof am 27. April 2023

In seinem Vortrag geht Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof schwerpunktmäßig auf die ausufernde Staatsverschuldung ein. Mit großer Detailkenntnis von Steuer- u. Haushaltsrecht sowie der historischen Entwicklungen staatlicher Finanzpolitik kann er diese dezidiert kritisch würdigen. Das Thema ist trotz seines hohen Gefahren-Potenzials in letzter Zeit durch vordergründige Krisen etwas in den Hintergrund getreten. In der Natur der Sache liegend, ergeben sich im politischen Tagesgeschäft tendenziell eher schleichende, oftmals intransparente Prozesse, denn Politik, gleich welcher Parteien-Konstellation, ist weniger an kritischer Diskussion und schon gar nicht an politischem Widerstand interessiert. Abgesehen von unvorhersehbarer Entwicklung und Krisennotfällen hat der Staatshaushalt prinzipiell und verfassungsgemäß „ausgeglichen“ zu sein. Das heißt, die Ausgaben und die Einnahmen eines Jahres sollten in etwa übereinstimmen. Für Notfälle und Unvorhersehbares muss der Staat Reserven bilden, aus denen er dann schöpfen kann. In schlechten Jahren kann der Staat entsprechend der Konjunkturentwicklung in die Neuverschuldung gehen unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Regeln wie zum Beispiel der „Schuldenbremse“. In guten oder besseren Jahren muss getilgt und Reserve gebildet werden. Hier zitiert Kirchhof den Satz Schumpeters: „Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass eine demokratische Regierung eine Budgetreserve anlegt“. Der Bund mit seinem „zwei Drittel-Anteil“ an der Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Kommunen ist das Problem. Mit über 2 Billionen Euro sprengt die Bundesregierung alles bisher Dagewesene. Inklusive der immanenten Staatsverpflichtungen, z.B. für Beamtenpensionen und die Verpflichtungen gegenüber Sozialhaushalten, beträgt das Volumen ca. 11.900 Milliarden Euro. Die Staatschulden wurden in den letzten drei Jahren im Verhältnis zu den 70 Jahren BRD zuvor in etwa verdoppelt. Die Zinslast steigt jetzt von 4 Mrd. Euro per anno 2021 auf 40 Mrd. Euro in 2023.

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Diese Entwicklung ist mehr als besorgniserregend. Er zitiert hierzu den Bundesrechnungshof in seiner Stellungnahme vom 1.3.2023 zum Bundeshaushalt: „Ein weiteres dynamisches Anwachsen droht die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen ernsthaft zu gefährden“. Alle Schulden von heute sind zusätzliche Steuerlast von morgen. Im Sinne von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sind dem Staat hier enge Grenzen gesetzt, die er jedoch seit langem überzieht. Schlimmer noch verlässt der Staat seine „neutrale“ Position, indem er selbst als Groß-Schuldner an niedrigen Zinsen, ja sogar an Inflation als „Tilgungsmechanismus“ interessiert ist. Der Staat wird, statt unparteiische Aufsicht zu sein, zum Akteur im Kapitalmarkt. Mit einer ganzen Reihe von findigen Neu-Interpretationen versucht der Staat seit geraumer Zeit verfassungsrechtliche Restriktionen seiner Ausgabenpolitik zu umgehen bis vom Bundesverfassungsgericht die Definitionen festgelegt und „Hintertüren geschlossen“ werden. Außergewöhnliche Notsituationen“ sollten seit 2014 eine Rechtfertigung für zusätzliche Staatsschulden sein, was bis 2019 auch funktioniert hat. Nun aber hat man die „außergewöhnliche Notsituation“ erweitert. Diese liegt auch dann „bei einer Beeinträchtigung des Wirtschaftsablaufes aufgrund exogenen Schocks“ vor. Hier kam der „Dammbruch“ mit einem 450 Mrd.-Corona-Kredit, dem einige schwergewichtige Schuldenpakete und Sondervermögen folgten. Ganz neu und findig sind Kreditermächtigungen, die man wegen absehbarer Nichtausschöpfung „umwidmen“, das heißt an der „Regel des Grundgesetzes“ vorbei für andere „wichtige“ Zwecke verwenden kann. So werden aus Krediten des Vorhaushaltjahres „Einnahmen“ des neuen Haushaltsjahres. Aus Schulden werden „Sondervermögen“ außerhalb des Bundeshaushaltes. Wenn Sie das machen, dann geht es los“ so Kirchhof und so ist es gekommen. Mit listigen „Buchhaltertricks“ wurde hier Politik gemacht. Fazit: Der Bund lebt deutlich über seine Verhältnisse und hat sich in seiner Bewegungsfreiheit sehr stark eingeschränkt und Risiken in Kauf genommen. Diese Entwicklung muss gestoppt werden.