Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können.
Rückblick auf die Vortragsveranstaltung mit Prof. Dr. Fritz Vahrenholt am 23. Februar 2023
Das ökonomische Prinzip hat naturgesetzlichen Charakter, auch wenn dies in der politischen Debatte um Energie und Klima häufig übersehen wird. Das ökonomische Prinzip besagt, dass Menschen von zwei gleichwertigen Waren immer die kostengünstigere auswählen. In der Physik entspricht es dem Prinzip, dass ein physikalisches System immer den Zustand der geringsten potenziellen Energie anstrebt. Eine Kugel rollt immer dann den Berg hinunter, wenn sie nicht aktiv daran gehindert wird.
In der Ökonomie kann die Politik auf individuelle Kaufentscheidungen mit dem Ziel Einfluss nehmen, dass Käufer nicht das preisgünstigste, sondern das politisch gewollte Produkt erwerben. Bei ganzen Volkswirtschaften ist dies schwieriger. Einfluss zu nehmen bedeutet dann, zwischenstaatliche Verträge abzuschließen – und darauf zu hoffen, dass diese auch eingehalten werden.
Damit ist der Kern der energiepolitischen Problematik angesprochen. Wir wissen, dass wir früher oder später die Nutzung fossiler Energieträger (Kohle, Öl und Gas) überwinden müssen. Es wird aber darauf ankommen, dies in einer Art und Weise anzugehen, dass dabei nicht einzelne Volkswirtschaften einen unbilligen Vorteil über andere erhalten.
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt zeichnete in seinem Vortrag nach, wie politische Entscheidungen zu einer systematischen Verteuerung von Energie geführt haben und welche Folgen daraus zu erwarten sind.
Zunächst zeigte Vahrenholt, dass die Energiekrise sich bereits im Jahr 2021 deutlich auswirkte und der Einmarsch Russlands in die Ukraine bestehende Effekte nur verstärkte. Er wies nach, wie Akteure der Finanzmärkte schon zu Anfang des vergangenen Jahrzehnts damit begannen, Gelder aus der Öl-, Gas- und Kohleindustrie abzuziehen. Als die Energienachrage nach dem Corona-bedingten Einbruch stark anzog, konnten die Unternehmen aus Mangel an Investitionsmitteln nicht genug liefern. Die Folge waren Knappheit und steigende Preise, die bis Ende 2021 ein Vielfaches der Vor-Corona-Werte erreichten.
Die Energieverteuerung hatte noch weitere politische Ursachen. So hat die EU höhere CO2-Preise beschlossen und die deutsche Bundesregierung fossile Brennstoffe durch eine weitere Steuer belegt. Obwohl die Preise für Strom und Gas seit ihren Spitzen im Sommer 2022 schon deutlich nachgegeben haben, liegen sie doch um ein Vielfaches höher als in vergleichbaren Wirtschaftsräumen. Wenn nun die letzten drei Kernkraftwerke im April endgültig vom Netz genommen werden, wird sich elektrische Energie weiter verteuern. Der angestrebte aber unrealistische Bau von fünf Windkraftwerken täglich sei viel zu langsam und werde die Situation am Strommarkt nicht entspannen.
Im Vortrag von Prof. Robert Schlögl einen Monat zuvor war zu erfahren, dass wir weltweit mehrere Milliarden Tonnen Wasserstoff benötigen werden, um die fossilen Energierohstoffe zu ersetzen, und dass diese besser in flüssig transportierbare synthetische Kraftstoffe wie Methanol oder Ammoniak verwandelt werden müssen. Schlögl will die Energierohstoffe an Standorten erzeugen, an denen Sonne und Wind zusammen mehr als die Hälfte der Jahresstunden Energie liefern. Die Preise für solche Energierohstoffe werden dauerhaft um einen Faktor 3-5 höher liegen als heutige Raffinerieprodukte (vor CO2-Bepreisung).
Vahrenholt zeigte sich skeptisch, ob die deutsche Wirtschaft diese Preisdifferenzen für Energie überleben kann. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sei bei etwa vier Cents je Kilowattstunde für Strom gegeben, und das sei der Wert, den seine SPD vor der Bundestagswahl versprochen habe. Ein Industriestrompreis in der Größenordnung von 12-16 Ct/kWh werde viele Arbeitsplätze kosten, so Vahrenholt. Zusätzlich werde der Ausbau wetterabhängiger Stromerzeuger in Zeiten mit wenig Sonne und Wind häufig zu regionalen Stromabschaltungen führen. Diese seien heute ein Kennzeichen von Entwicklungsländern.
Als Ausweg aus der Krise sieht Vahrenholt, das Angebot an Energie deutlich zu erhöhen. Alle noch betriebsbereiten Kernkraftwerke müssten zurück ans Netz geholt werden; Deutschland müsse die Braunkohle beibehalten und durch CO2-Abscheidung und -Verpressung im Boden klimapolitisch akzeptabel machen; und Deutschland müsse die eigenen Erdgas-Reserven nutzen. Alles drei sei derzeit mit Technologieverboten belegt, die fallen müssten.
Es gilt aber das Wort des Kabarettisten Vince Ebert: Man kann die Effizienz eines Windparks deutlich erhöhen, indem man ihn durch ein Kernkraftwerk ersetzt. Dies war im deutschen Politikbetrieb lange nicht möglich.