Keine Energiewende ohne Wasserstoff
Rückblick auf die Vortragsveranstaltung mit Prof. Dr. Robert Schlögl am 26. Januar 2023
Der Umbau der Stromversorgung auf wetterabhängige Quellen schafft enorme Herausforderungen. Gerade Solar- und Windenergie haben Charakteristiken, die dafür sorgen, dass mit jedem Ausbau die Kosten der Integration in das Stromerzeugungssystem anwachsen. Solaranlagen liefern nur tagsüber, Windkraftwerke nur bei Wetterwechsel. Solarenergie liefert im Winter kaum Beiträge, Windenergie im Sommer.
Stromnetze mit großen Mengen an wetterabhängig produzierenden Kraftwerken müssen daher „Flexibilitätslösungen“ aufbauen, damit der wetterabhängige Strom dahingehend veredelt wird, dass er dann und dort zur Verfügung steht, wann und wo wir ihn benötigen. Es gibt etliche Arten, diese Flexibilität herzustellen: transkontinentale Stromtrassen, Stromspeicher, Nachfragemanagement oder Im- und Export.
In den letzten Jahren wird verstärkt diskutiert, aus temporär nicht nutzbarer elektrischer Energie Wasserstoff herzustellen, zwischenzuspeichern und diesen dann in Brennstoffzellen oder Gaskraftwerken wieder in elektrische Energie umzuwandeln. Dies ist jedoch zu kurz gedacht.
Erstens ist die Umwandlung von elektrischer Energie in ein Gas, die Lagerung, der Transport und die Rückwandlung des Wasserstoffs in Strom mit hohen Verlusten im Bereich von 60 – 80% der ursprünglich vorhandenen elektrischen Energie verbunden.
Zweitens bildet der Stromsektor in modernen Volkswirtschaften nur 20 – 25% des Energiesektors. Die weitaus größeren Anteile haben die Sektoren Mobilität, Heizung, industrielle Prozesswärme und die direkte stoffliche Nutzung von fossilen Energieträgern in der Chemieindustrie.
Hier setzt Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Robert Schlögl an. Als Direktor des Fritz-Haber-Instituts, als Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion, als Vizepräsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und als Präsident der Alexander von Humboldt-Gesellschaft forscht der vielfach ausgezeichnete Chemiker und weltweit führende Katalyseforscher an Verfahren, mit denen die Hinwendung zu wetterabhängigen Energiequellen gangbar werden kann.
Im ersten Teil seines Vortrags „Keine Energiewende ohne Wasserstoff“ stellte Schlögl dar, dass das Potenzial für wetterabhängige Energieversorgung durchaus gegeben ist. Wind und Sonne liefern ein hohes Vielfaches der Energie, die die Menschheit insgesamt verbraucht. Wenn die Welt-Energieversorgung auf Wasserstoff und Derivate umgestellt werden muss, werden davon bis 2040 etwa eine Milliarde Tonne jährlich benötigt, für einen Komplettumstieg auf wetterabhängige Energien etwa 3 – 5 Milliarden Tonnen.
Die Herausforderung, eine Milliarde Tonnen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von ca. 33.000 Terawattstunden (TWh, 1 TWh sind eine Milliarde kWh) zu erzeugen, ist gewaltig. Dafür müssen etwa 13.000 GW an Elektrolysekapazitäten aufgebaut werden, und dies innerhalb von nur 15 Jahren. Zusätzlich bedarf es der entsprechenden Energiemengen aus Sonne und Wind, wegen des Energieverlusts bei der Umwandlung werden dafür ca. 55.000 TWh an Solar- und Windenergie jährlich benötigt. Zum Vergleich: Deutschlands jährlicher Stromverbrauch liegt in der Größenordnung von 600 TWh.
Damit solch großen Mengen an Energie, Elektrolyseuren, Transport- und Speichereinrichtungen sowie Kraftwerken gebaut werden können, setzt Schlögl auf mehrere Faktoren.
Erstens sollte die Herausforderung auf globaler Ebene gelöst werden; auch große Länder wie Deutschland sind dazu viel zu klein. Zweitens sollten weltweit Standorte mit sehr hoher Solar- und Windausbeute genutzt werden, also sonnige und windige Regionen wie Westaustralien, die Sahara oder die Südspitze Lateinamerikas. Die notwendigen Wassermengen sollen dabei aus Meerwasserentsalzung gewonnen werden. Drittens sollte der Wasserstoff in flüssige Energierohstoffe wie Methanol oder Ammoniak umgesetzt werden.
Seine Forschungsarbeit richtet Schlögl darauf, die Umwandlungsprozesse von elektrischer in chemische Energie zu entwickeln, mit Hilfe von Katalysatoren zu optimieren, großtechnische Anlagen mit solchen Technologien aufzubauen und private Firmen darin zu unterstützen, diese in die Serienproduktion zu überführen.
Am Ende, wenn die Umstellung auf wetterabhängige Energien geschafft ist, werden die Energiekosten dann nur beim etwa 3-4-fachen der heutigen Kosten liegen. Schlögl sieht darin kein Problem, da früher oder später alle Nationen aktive Klimapolitik betreiben müssten.