Ist die Soziale Marktwirtschaft noch modern?

Rückblick auf die Vortragsveranstaltung mit Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch am 4. August 2022

Der Vortrag von Herrn Professor Koch war sehr gut besucht. Es waren auch mehrere Politiker und Unternehmer sowie Mitglieder des Vereins Wirtschaftsjunioren Rheinland-Pfalz unserer Einladung gefolgt. Das war natürlich auch der Popularität des Vortragenden zu verdanken und ebenso der Erwartung dazu, was er zu seinem Thema ausführen würde. Ob die Soziale Marktwirtschaft noch „modern“ ist, verbindet sich – das zog sich wie ein roter Faden durch den Vortrag – für Herrn Professor Koch mit der Frage, wo in Deutschland Schwachstellen bestehen und was geändert werden muss. Er setzte zunächst an der 1989 von dem US-amerikanischen Ökonomen Francis Fukuyama getroffenen Feststellung an, dass die freiheitliche Grundordnung und martkwirtschaftliche Prinzipien unzerstörbar geworden sind und ihre globale Verbreitung unaufhaltsam ist. Aus heutiger Sicht bestünden aber daran erhebliche Zweifel und zwar sowohl aus der Binnensicht als auch aus der Sicht auf die Weltlage. Das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft und zwischen den Nationen oder Wirtschaftsblöcken sei durch neue Auseinandersetzungen bedroht, die auch die Vorstellung davon betreffen, welche Verantwortung der Einzelne hat und mit welcher Verantwortung ihm zu begegnen ist. Dass die Anzahl der demokratisch regierten Staaten abnimmt und sich die kommunistische Verfassung in China verfestigt, seien Merkmale für das Auseinanderklaffen der Vorstellungen davon, wer die Grundlagen des Zusammenlebens bestimmt. Auf der globalen Ebene manifestiere sich dies in Wirtschaftskriegen bis hin zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Aber auch in Deutschland sei es keineswegs so, dass eine einheitliche Vorstellung von gemeinsamen Grundwerten, von der Bedeutung und der Reichweite der Einflussnahme durch den Staat und von der Freiheit der Wirtschaftssubjekte bestehe. Die soziale Marktwirtschaft verdanke in Deutschland ihren Erfolg auch der Tatsache, dass es den Regierenden gelungen sei, die Bürger von diesen Werten und von der Aufgabenteilung zwischen Staat und Unternehmern zu überzeugen. Dies sei aber in der Folge immer weniger gelungen: Habe Ludwig Erhard noch damit Erfolg gehabt, die Mitte zu finden zwischen politischer Umsetzbarkeit und dem ökonomisch Richtigen, bestimme heute, auch angesichts der Bedrohungen von aussen, die Frage nach den richtigen staatlichen Maßnahmen die Diskussion; es werde aber oft nicht gefragt, ob sie mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der Chancenwahrung für freie Unternehmer und der Innovationsfähigkeit der Wirtschaft vereinbar seien. Herr Professor Koch exemplifizierte das an dem jüngsten Urteil des BVerfG zu den Klimagesetzen und an den Planungen des BMWK zu LNG-Terminals.

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In der Folge führte Herr Professor Koch aus, wie notwendig es ist, Denkweisen, die gegen die Marktwirtschaft gerichtet sind, argumentativ zu entkräften und herauszustellen, was Marktwirtschaft konkret für den einzelnen auch unter Risikoaspekten bedeutet. Das “Soziale” bestehe darin, dass der Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaft Vorteile zukommen, was in Deutschland wohl der Fall ist. Ein Vergleich mit den USA zeige, dass dort zwei Drittel der Bürger glauben, die Marktwirtschaft habe ihnen Nachteile gebracht und sie es nicht mehr persönlich ändern können. Für ein solches Auseinanderleben der Gesellschaft gebe es in Deutschland noch keine Anzeichen – allerdings deute die Entwicklung um den Mindestlohn auf ein Versagen von marktwirtschaftlichen Instrumenten wie der Tarifautonomie. Es fehle an logisch nachvollziehbaren politischen Zielsetzungen, weil offensichtlich ideologische Prioritäten, etwa in der Energiepolitik, dominieren. Der Spannungsbogen, der dann ausgebreitet wurde, reichte von den Unzulänglichkeiten im Wettbewerbsrecht, das auf neue Märkte, etwa dem der Kommunikation oder der Welfare-Angebote auszurichten ist, über die Wirksamkeit der CO2-Bepreisung bis hin zu den Schwächen in der Setzung von Lenkungsimpulsen, die anstelle von immer mehr Regulierungen notwendig wären. Nur so ließen sich Innovationen fördern. Das gelte auch für den Welthandel – ein eventueller Zusammenschluss marktwirtschaftlich und freiheitlich orientierter Staaten, die auf diese Weise agieren, könne positive Entwicklungen für die globale Wirtschaft bewirken.

In der anschließenden Diskussion wurden alle Einzelthemen des Vortrags angesprochen. Herr Professor Koch ging die Fragen sehr offen an und debattierte engagiert mit den teilweise etwas skeptischen Diskutanten. Seine Antworten überzeugten letzlich jeden der Fragesteller.