Ursache und Auswirkungen negativer Strompreise

Rückblick auf die Vortragsveranstaltung mit Dr. Björn Peters
am 8. Oktober 2024

Seit dem Sommer 2024 wurde zunehmend diskutiert, dass an den Strombörsen die Preise stundenweise auf negative Werte fallen. Das heißt nichts anderes, als dass für das Loswerden von produziertem Strom eine „Entsorgungsgebühr“ bezahlt werden muss.

Wie negative Strompreise zustandekommen und warum sie für die Volkswirtschaft problematisch sind, erläuterte der Physiker und Energieökonom Dr. Björn Peters in einem Vortrag am 8. Oktober 2024 in der IHK Mannheim. Er ist den FWP-Besuchern seit zwei Jahren als Moderator etlicher Vortragsveranstaltungen bekannt.

Der Hauptteil seines Vortrags fiel auf ein „volkswirtschaftliches Seminar“, in dem Peters die Besonderheiten der Preisbildung im Allgemeinen und in speziell in Strommärkten erläuterte.

Zunächst verwies Peters auf allgemeine volkswirtschaftliche Begriffe. In einem Markt werden Anbieter und Käufer von Waren zeitlich und räumlich zusammengeführt. Preise bilden sich anhand von Knappheit, wichtige Begriffe sind dabei die Angebots-Nachfrage-Relation und die Preiselastizität darin, die beschreibt, wie sich ändernde Preise Käufer und Verkäufer in ihrem Bieterverhalten beeinflussen.

Die Besonderheit von Strommärkten liegt darin, dass elektrische Energie nicht speicherbar ist. In jeder Sekunde muss exakt so viel davon erzeugt werden, wie die Kunden nachfragen. Die (viertel-)stündliche Zeitreihe des Strombedarfs nennt sich Lastgang.

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Die Vortragsfolien finden Sie zum genaueren Studieren hier:
Ursache und Auswirkungen negativer Strompreise Dr. Björn Peters

Peters zeigte anhand der Merit-Order-Kurve von 2021, die wesentlicher Teil des heutigen Strommarktdesigns ist, dass die Grenzkosten des jeweils teuersten Kraftwerks, das noch in den Markt Strom einspeist, der Preis für alle anderen Anbieter festgelegt wird.

Die teuersten Kraftwerke operieren nur an wenigen Betriebsstunden pro Jahr, sie werden aber für die Versorgungssicherheit benötigt. Daher müssen diese Kraftwerke über einen anderen Mechanismus so vergütet werden, dass sie am Markt überlebensfähig sind, und hierfür wurden Kapazitätsmärkte eingeführt.

Im dritten Schritt zeigte Peters, wie sich die Einführung von wetterabhängigen Erzeugern, also gerade Wind- und Solarkraftwerke, auf das Erzeugungsprofil der anderen Kraftwerksbetreiber auswirkt. Diese müssen nun nicht nur entlang des Lastgangs ihre Produktion herauf- und herunterregeln, sondern auch die wetterbedingten Schwankungen der Wind- und Solarkraftwerke auffangen.

Werden wie in Deutschland die Wind- und Solarkraftwerke nicht an der Strombörse vergütet, sondern über ein marktfernes System von festen Einspeisetarifen wie aus dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), ändern sich für die traditionellen Stromerzeuger zwei Dinge. Zum einen operieren sie nicht mehr an einem Strommarkt, sondern jede Stunde an einem anderen. Zum anderen führt der Einspeisevorrang für Wetterabhängige dazu, dass bei hoher Einspeisung aus EEG-geförderten Erzeugern die traditionellen Erzeuger ihre Einspeisung reduzieren müssen.

Traditionelle thermische Kraftwerke, die Kohle, Gas und Uran nutzen, um Wasser zu verdampfen und durch eine Turbine zu leiten, haben nun eine Besonderheit. Sie können Ihre Leistung sehr gut und relativ schnell in einem Bereich von etwa einem Drittel bis zu ihrer Maximalleistung herauf- und herunterregeln. Fällt der Lieferbedarf unter dieses Drittel der Maximalleistung, müssen die Kraftwerke ganz abgeschaltet werden. Um sie bei steigendem Bedarf wieder hochzufahren, benötigt es mehrerer Tage und hohen Energieeinsatzes zum Vorheizen.

Wegen der extrem privilegierten Stellung der Wetterabhängigen ist dies ist der Hauptgrund für negative Strompreise: Für die Betreiber von thermischen Kraftwerken kann es lohnender sein, ihre Kraftwerke in den eher kurzen Zeiten mit einem Überschuss an wetterabhängig produziertem Strom am Netz zu halten und dafür sogar „Strafzahlungen“ für die Stromproduktion in Kauf zu nehmen, als die Kraftwerke ganz abzuschalten.

Was sind nun die ökonomischen Folgen negativer Strompreise? Zunächst scheinen niedrige Preise ja vorteilhaft zu sein, tatsächlich sorgen sie dafür, dass die EEG-Kosten massiv ansteigen. Betreiber von EEG-geförderten Kraftwerken erhalten immer denselben, für zwanzig Jahre festgelegten Strompreis aus dem EEG-Konto. Die Differenz aus dem garantierten Preis und dem Börsenverkaufswert bezahlt der Steuerzahler.

Bei weiterem Ausbau von Solar- und Windkraft steigen die Zeiten mit Überschüssen immer weiter an. So wurden für das EEG zehn Milliarden Euro für 2024 budgetiert, die tatsächlichen Kosten werden deutlich über 20 Mrd. Euro liegen. Ein weiterer Anstieg ist unvermeidliche Folge des Ausbaus von Wetterabhängigen und hat nach Peters das Potenzial, die Leistungskraft des Bundeshaushalts zu überfordern.

Auch eine Regelung in §51 EEG schafft laut Peters keine Abhilfe. Nach dieser lassen negative Preise von bestimmter zeitlichen Dauer zwar den Vergütungsanspruch für Großanlagen entfallen, allerdings fällt nur etwa eine Hälfte der PV-Anlagen darunter. Beim derzeitigen Boom von Balkonkraftwerken steht zu befürchten, dass nicht abregelbare Produktionsspitzen sogar bis hin zum Blackout führen könnten, während alle größeren Kraftwerke vom Netzbetreiber bei kritischen Lastsituationen aus der Ferne abgeschaltet werden können.

Am Ende, so zeigte Peters anhand von Ergebnissen aus seinen Energiesystemmodellierungen, ist es der Ausbau der Wetterabhängigen, der unvermeidlich das Stromversorgungssystem strukturell immer weiter verteuert. Dabei steigen die sog. Integrationskosten der Wetterabhängigen mit dem Marktanteil exponentiell an. Die teuersten Schritte haben wir in Deutschland also noch vor uns.

Abhilfe könnte nur schaffen, wenn die Frage in den Vordergrund rücke, wie viel Sonne und Wind der deutsche Strommarkt verträgt. Es gebe ein ökonomisch bestimmbares Optimum für das Idealmaß an Solar- und Windkraftwerken. Die Politik sollte sich nach Peters Aussage schnell darum bemühen, die Stromversorgung baldmöglichst wieder anhand von Marktprinzipien auszurichten.